Montag, 1. September 2014

Chimborazo, ein Abenteuer der besten Klasse

Fast vier Wochen lang haben wir uns auf diesen Giganten vorbereitet. Perfekt akklimatisiert und ausgeruht geht es am fruehen Abend mit nur 3 Stunden Verspaetung am Treffpunkt los, leider ohne Anna und Lea, die anstatt dessen den Nationalpark in Papallacta erkunden. 
Begleitet von spontanem Applaus springt noch schnell Jorge (sprich: Horche) unser Power-Zugpferd-Bergfuehrer in unseren Privatbus. Jetzt ist der Gipfel sicher! Es werden Plaene gemacht in denen Jorge vorausgeht und uns per Flaschenzug hinterherzieht J Wie auch immer, fuer die Motivation ist er Gold wert. Zuvor war man sich relativ einig, dass es duraus passieren kann, dass niemand den Gipfel erreicht. Nun ist zumindest eine Seilschaft (naemlich seine) gesichert oben ;-) (Zur Erklaerung, sowohl auf dem Illiniza Sur, als auch dem Cayambe war Jorges Seilschaft jeweils die Einzige, die den Gipfel erreicht hat)

Nach einigen Stunden Fahrt und einer Pause zum Abendessen (es gab uebrigens Huehnchen; das hatten wir seltsamerweise alle im Vorraus richtig erraten) erreichen wir den Zustieg. Dort liegt er nun vor uns, der Chimborazo. Zumindest vermuten wir das, denn es ist mittlerweile Mitternacht und stockfinster.
Wenige Minuten spaeter geht es perfekt ausgeruestet mit Stirnlampen und vielen Schichten Kleidung los. Vor uns liegen etwa 8 Stunden Aufstieg, ein hoffentlich herrlicher Gipfel und rund 4 Stunden Abstieg. Bei wenig Wind, milden Temperaturen und klarer Sicht erklimmen wir Schritt fuer Schritt jeden Hoehenmeter. Relativ schnell ist bereits das Refugio erreicht, an dem drei unserer Ecus und Consti zurueckbleiben und sich bis zum naechsten Morgen (der Bus wartete naemlich ueber Nacht unten in der Stadt und kam erst wieder am naechsten Tag um 11 Uhr morgens an unseren Ausgangspunkt), mit nur einem Schlafsack und einem selbstgemachten Feuer, versuchen warmzuhalten. 
Fuer die restlichen Neun von uns heisst es: Die ersten 200 von 1510 Hoehenmetern sind geschafft. Recht bald schon werden die Steigeisen angelegt und es geht auf einem Untergrund aus gefrorener Erde mit vielen Steinen weiter. Spaeter wird dieser kostenlose Steigeisen-stumpf-Service gluecklicherweise durch Gletscher in Form von Schnee und Eis ersetzt. Hier warten kleinere Steileishaenge auf uns. Stuerzen ist hier keine gute Idee, es wuerde eventuell die ganze Seilschaft mitgerissen werden. Also volle Konzentration auf die vor uns erleuchte Eisflaeche und Ruhe bewahren. Weiter geht es ueber vereiste Passagen bis ein Grat erreicht wird. Diesem folgen wir und haben sogar noch kleinere Kletter Einlagen, sehr cool. Etwa die Haelfte ist nun geschafft. Die Stimmung ist gut, bis hierher haette es kaum besser laufen koennen. Weiter geht es in den letzten finale Hang.
Waehrend es nach einiger Zeit langsam heller wird, ziehen sich die Seilschaften weiter auseinander. Einige sind erschoepft, viele muede. Doch die Aussicht ist wunderbar: Sehr schoen laesst sich der zurueckgelegte Weg erkennen. Durch die klare Luft und die grosse Hoehe laesst sich die von der Sonne in orangenes Licht getauchte Umgebung bewundern.
Auf etwa 6000m geht es Sabrina immer schlechter. Starke Kopfschmerzen, klarer Fall von Hoehenkrankheit. Aber hier ein paar hundert Meter unter dem Gipfel umdrehen? Das geht schon noch irgendwie. Also wird weitergelaufen und gekaempft. Nach weiteren 30 Minuten und 100 Hoehenmetern ist dann doch Schluss. Die Hoehe fordert ihren Tribut. Koerperlich und geistig vollkommen erschoepft muss sie umkehren. Kurz vor dem ersten der zwei Chimborazo Gipfel. Vollkommen niedergeschlagen packt sie die selbstgemachte JDAV Oberland "WITZIG" Flagge aus, damit zumindest diese den Gipfel erreicht. 

Daraus wurde uebrigens von Phia und Tim die "Kontra-Icebucketchallenge" auf Facebook gestartet, jetzt werden Leute nominiert, eine solche selbstgemachte Flagge auf die Gipfel der Welt zu bringen. #jdavwitzigauftour

Weiter geht es im Hellen, ohne Sabrina. Der vereiste Untergrund hat die Form von Eisschollen, die aus dem Boden ragen. Dies sieht wunderschoen aus und laesst sich prima zum Abstuetzen benutzen. Doch die Strecke zieht sich. Immer sieht es so aus, als haette man gleich den hoechsten Punkt erreicht, der sich dann jedoch immer wieder weiter nach hinten verschiebt. Nach gefuehlten Stunden die grosse Erleichterung. Der kleinere Chimborazogipfel ist erreicht. 6240 Meter ueber Normalnull! Fantastisch. Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung zum hoechsten Punkt Ecuadors auf 6310m. Doch leider Fehlanzeige. Die Schneeberge, die den Weg blockieren, haben zu viele Lufteinschluesse und erlauben kein Weiterkommen. Sehr schade, ABER: WIR SIND AM GIPFEL! Gluekwuensche werde ausgesprochen, Haende gedrueckt und Bilder mit strahlenden Gesichtern geschossen. Es ist geschafft. Wir sind auf dem hoechsten Berg der Welt! Doch gabs da nicht so einen, Everest oder so aehnlich? Interessanterweise sind wir tatsaechlich 2000m hoeher als der Mount Everest, wenn man nicht vom Meeresspiegel, sondern vom Erdmittelpunkt aus, misst. Durch die Eigenrotation der Erde ist diese keine perfekte Kugel, sondern hat eine leichte Ellipsenform. Dadurch ist sie am Aequator dicker. Die zweite Besonderheit: Hier ist der Punkt mit der geringsten Schwerkraft. Man ist am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt und hat am Aequator die kleinstmoegliche Schwerkraft. Nunja der Aufstieg war leider trotzdem nicht geschenkt. Spuerbar ist dieser Effekt naemlich nicht.
Um 12h Mittags liegen wir dann bereits schlafend in unserem Bus. Halt! Nicht ganz. Noch auf dem Gletscher, auf etwa 5600m, zieht starker Nebel auf. Wir haben nur wenige Meter Sichtweite. Unser Weg, der selbstverstaendlich nicht mit roten LED-Lampen vorgegeben ist, ist nur schwer zu finden. Kurzum, wir finden den Rueckweg nicht mehr. Nach viel Gesuche beschliessen wir, dass es bei dieser Sicht zu gefaehrlich zum weiteren Absteigen ist. Zu gross ist die Gefahr, dass man einen Abhang zu spaet erkennt oder durch Gelaende quert, dass man aus Steinschlaggruenden nicht betreten sollte. Also zurueck zum letzten bekannten Punkt unseres Weges. Der Grat, den wir am Morgen ueberschritten hatten. Hier ist es etwas kaelter, dafuer aber absolut sicher. Am hoechsten Punkt koennen keine Steine aus der Nebelwand hervorschiessen. Also Notbiwak auf 5500m. Erstmal was Essen und per Funk zum Tal durchgeben, dass wir noch ein bisschen laenger brauchen. Mit der Zeit des Wartens verabschieden sich dann leider die Batterien des Funkgeraetes. Zudem kein Handynetz. So etwas fuehrt dann schon zu leichter bis mittelmaessiger Panik bei den Wartenden im Tal. Als gegen Abend das Wetter aufklart setzen wir den Abstieg bei Abenddaemmerung fort. Auf dem letzten Teil der Etappe kommen uns bereits 5 Bergfuehrer entgegen. Schon von weiter oben koennen wir in der Ferne Blaulicht erkennen. Unten stehen Polizei und Krankenwaegen bereit. Doch uns geht es zum Glueck gut. Wir sind nur muede und erschoepft. Wir sind schliesslich seit ca. 20 Stunden unterwegs. Doch ein klein wenig langer als geplant. Wir wollen nur noch eines: In unsere warmen Betten.
Von allen ging es waehrend des Tages wohl dem Busfahrer am schlechtesten. Dieser wurde beim Warten auf immerhin 5000m stark hoehenkrank und wurde von Consti fachmaenisch versorgt, sodass er nun wieder fahren kann. Nach 10 Minuten Fahrt die grosse Freunde: Der Bus steckt im Neuschnee fest. Keine Chance, den wieder rauszubekommen. Zur Erinnerung, Viele sind seit ueber 30 Stunden wach und wollen eigentlich nur noch schlafen.

Die noch bereitstehende Polizei erbarmt sich und organisiert ueber die ebenfalls noch bereitstehenden Krankenwaegen einen Transport in die naechste Stadt, in der wir um 3:30 Uhr in der Frueh einen Bus nach Quito nehmen. Zur Fahrt so viel: Wir sind eingestiegen – Gedaechtnisluecke – irgendwer ruft: “Quiiitooo, wake up!”

Der Chimborazo, ein Bergabenteuer, das wir so schnell nicht vergessen werden…
Von Niclas :)

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